Nachruf für Paula Linhart

14.08.2012

Nachruf für Paula Linhart

Am 7. August 2012 verstarb Paula Linhart im Alter von 106 Jahren. Sie war die erste Geschäftsführerin der Aktion Jugendschutz, Landesarbeitsstelle Bayern.

Paula Helene Linhart wurde am 22. März 1906 in München geboren.

1928, nach Besuch der Frauenschule des Katholischen Frauenbundes, begann Paula Linhart ihre Tätigkeit als Wohlfahrtspflegerin im Katholischen Fürsorgeverein für Mädchen, Frauen und Kinder, dem jetzigen Sozialdienst katholischer Frauen. Über viele Jahre hat sie die katholische Sozialarbeit mitgeprägt. Ihre Arbeitsgebiete waren Jugend- und Gefährdetenfürsorge, Sorge und Unterbringung für uneheliche Mütter und Kinder, Strafgefangenenfürsorge, sowie die Organisation von Einzelvormundschaften. Sie selbst übernahm ca. 80 Einzelvormundschaften. Auch während der Zeit des Nationalsozialismus konnte sie ihre fürsorgerische Tätigkeit weitgehend durchsetzen und nahm gefährliche Konflikte mit der Partei in Kauf, indem sie u.a. Unterbringungen und Arbeitsverhältnisse ihrer Mündel bei Parteimitgliedern verhinderte. Ihre riskanteste Aktion war ihr Einsatz gegen den Verein „Lebensborn“, indem sie den schwangeren Frauen und Müttern Fürsorgeangebote macht.

Geprägt hat sie ihr fester Glaube, ihre Wertorientierung und ihr politisches Interesse, das sie bereits durch ihr Elternhaus erfahren hatte. All dies schlug sich nieder in ihrer sozialen Arbeit, in ihrem Engagement gerade auch für junge Menschen, die der besonderen Unterstützung bedürfen.

Während ihrer Tätigkeit als Wohlfahrtspflegerin wurde Paula Linhart 1956 als Leiterin zum Aufbau einer Landesstelle Jugendschutz in Bayern freigestellt, von 1960 – 1971 war sie als die erste Geschäftsführerin der Aktion Jugendschutz, Landesarbeitsstelle Bayern tätig.

Paula Linhart hatte eine besondere Vorliebe für die Medienarbeit. Schon mit 14 Jahren begeisterte sie sich für das Kino und schrieb 1920 ihre erste Filmkritik. Für sie, ich zitiere hier Paula Linhart „machte der Film die Welt ein Stück durchsichtiger, er überträgt, was das Wort nicht trägt“. Ihr Interesse an Filmbetrachtung und Wertung führte dazu, dass Paula Linhart bereits 1953 als Ländervertreterin Bayerns Prüferin bei der Filmselbstkontrolle wurde, diese Prüftätigkeit übte sie über 30 Jahre lang aus. Sie steht von 1956 bis 1990 auch dem Bayerischen Filmgutachterausschuss vor. Sie war Mitherausgeberin der Zeitschrift Filmdienst. Ehrenmitglied der Kath. Filmkommission sowie Gründerin vom Kino Treff Rio in München.

Paula Linhart war dem Jugendschutz und der Landesarbeitsstelle sehr verbunden. Bis 1999 (damals war sie bereits 93 Jahre alt) wirkte sie als freie Filmsachverständige in der aj weiter.

Paula Linhart war zierlich in der Körpergröße, aber ihr Auftreten war umso beeindruckender. Unvergesslich ist, dass sie bis ins hohe Alter unsere Mitgliederversammlungen besuchte. Paula Linhart saß nie einfach da, sondern mischte sich stets in Diskussionen ein und das mit brillanter Wortwahl. Paula Linhart war eine belesene Frau und äußerst formulierungsstark. Es war eine Freude von ihr einen Brief zu erhalten und so ist jeder Brief von ihr durch viele Hände gegangen. Mit ihrer geistigen Frische und ihrem Interesse an der Welt und an den Menschen hat sie Anteil nicht nur an unserer Arbeit genommen, sondern diese auch immer wertschätzend und unterstützend begleitet.

Wir sind dankbar, dass wir diese starke Frau so lange erleben durften. So war und ist Paula Linhart stets ein Teil von uns und in unseren Herzen.

Elisabeth Seifert, Geschäftsführerin

 
 
 

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